THE AMY WINEHOUSE FOUNDATION

Back
to Black

Worte von Harley Cassidy & Laura Jones

Als eines der besten, wenn nicht gar als bestes Album des 21. Jahrhunderts bezeichnet, war Back to Black das bahnbrechende Album von Amy Winehouse, deren ehrliche Texte und einzigartige Stimme die ganze Welt in ihren Bann zogen.

Wir erinnern uns heute mit Amys eigenen Worten aus einem außergewöhnlichen Interview an die Zeit kurz vor dem Launch im Jahr 2006. Laura Jones traf die Sängerin eines Abends in einem Nachtclub im Norden Londons und hatte das Glück, sich auf den Waschbecken in der Herrentoilette hockend fünfzehn Minuten lang mit ihr zu unterhalten. Das Foto von Amy wurde mit einem Nokia Handy geschossen.

Text von Laura Jones

Dieser Artikel wurde ursprünglich veröffentlicht in der unabhängigen Zeitschrift Teen Style Culture, 2006

Nach ihrem erfolgreichen Debütalbum „Frank“ präsentiert die zarte Schönheit mit jüdischen Wurzeln uns zwei Jahre später eine weitere musikalische Delikatesse. Wir treffen uns in der Herrentoilette des Nambucca im Norden von London und Amy erzählt mir völlig offen, was sie in den letzten 18 Monaten, in denen sie aus dem Rampenlicht verschwunden war, getan hat.

„Ich war verliebt ...“ Amys Beziehung brach vor sechs Monaten auseinander, so erzählt sie mir, was ein harter Schlag für sie war. „Mein Herz schmerzt noch immer, wenn ich an ihn denke.“

Er war ihre erste Liebe und Amy trägt seinen Namen über ihrer Brust eintätowiert, „damit er immer nah an meinem Herzen ist“. Doch sie ist kein Mensch, der Dinge bereut und erklärt: „Mein gebrochenes Herz, wenn man es so nennen will, hat mich dazu gebracht, etwas zu unternehmen und darum habe ich mit dem neuen Album begonnen.“

Amys lang und sehnsüchtig erwartetes neues Album kommt in diesem Herbst heraus und distanziert sich von der bisherigen sinnlichen Fusion aus Jazz und Hip-Hop. Dieser neue Sound hat wenig von Frank, ihrem Debütalbum, das sie zum Star der Jazzszene machte und die Musik verkörperte, mit der sie aufgewachsen war. Das neue Album, das noch keinen Namen hat, vollzieht die Wandlung zu einem vielschichtigeren Sound. Amy begann als Gitarristin, verfügt jedoch über eine Stimme, die mühelos die Grenzen zwischen verschiedenen Sounds und Genres übertritt. „Ich bin aufgewachsen mit der Folk-Musik, die meine Mutter hörte und den Jazzklängen, die mein Vater liebte. Ich mag den Gedanken, dass mein Leben sich in meiner Musik widerspiegelt und der Musikgeschmack meiner Eltern ist auf jeden Fall ein wichtiger Teil davon.“ Nachdem Amy mit dreizehn Jahren zum ersten Mal eine Gitarre in der Hand hielt, hat sie Klavier- und Saxophonspielen gelernt, doch die Klänge der Gitarrensaiten und eine einsame Jamsession in ihrem Schlafzimmer verleihen ihr ein Gefühl der Geborgenheit.

All ihre Texte drücken ungefiltert ihre Gefühle aus. „Wenn ich nicht dabei war, kann ich auch nicht darüber schreiben. Ich bin jung und kann nur über das schreiben, was ich selbst durchmache – ich kann nicht über etwas schreiben, das ich nicht selbst erlebt habe. Ungerechtigkeit und die Erfahrung, wie du Dinge durchlebst, machen den ganzen Song aus. Für mich macht es keinen Sinn, etwas zu tun, das mich nicht herausfordert. Das war der eigentliche Grund, warum ich begonnen habe Songs zu schreiben, ich wollte sehen, ob ich es kann.“

Nach ihrer Trennung verwandelte Amy ihre Gefühle in Songs für das neue Album, es ist ein Spiegelbild ihres Lebens und erinnert an ihre Wurzeln als Gitarristin. Amy wurde bislang gern als Soul-Sängerin eingestuft, wohl auch, weil sie einfach „Seele hat“. Sie möchte ihre Besinnung auf die Basics erklären: „Frank war ein Fusion-Experiment mit verschiedenen Sounds. Hauptsächlich Hip-Hop, doch es gab auch Elemente von Blues, Jazz, Pop und R&B.“ Sie wurde als die „Jazz-Königin des Jahrtausends“ gepriesen und ihre Songs waren von vokalen Jazz-Pionieren wie Sarah Vaughn und Ella Fitzgerald inspiriert.

Im Kreis ihrer Camden-Clique hat Amy ihre Musik an das Jahr 2006 angepasst und verbindet Indie-, wenn nicht sogar akustische Anklänge mit ihrem gewohnten Vintage-Soul-Sound. „In dem Album singe ich weniger geschliffen, sondern eher roh. Natürlich und rau. Nur ich und meine Gitarre, mit harten, jedoch keinen superharten Akkorden.“

Während sie die Songs geschrieben und im Studio aufgenommen hat, ist Amy in und um Nordwest-London für ihre Familie und Freunde aufgetreten. Wohltätigkeitsauftritte mit anderen Londoner Künstlerinnen wie Ms. Dynamite standen ebenfalls auf dem Programm und insgesamt hat Amy ihre Fans an ihren musikalischen Experimenten und neuen Songs teilhaben lassen. „Ich spiele überall und nehme meine Gitarre mit, wann immer ich kann. Es tut gut, das Feedback der Menschen zu hören. Ich muss meine Ideen mit der Welt teilen. Ich kann nicht im stillen Kämmerlein hocken. Ich habe wirklich Glück, dass die Menschen mich hören wollen und an mir interessiert sind. Bei der Musik geht es nur ums Experimentieren.“

Ihre Einstellung zur Musik ähnelt der von früheren Stimmwundern wie Billie Holiday, Carole King, Lauryn Hill und Joni Mitchell. Frauen, die sich mit großer Leidenschaft allein mit ihrer Stimme ausdrückten und dabei alle Erwartungen übertrafen. Ihr natürliches Verhältnis zur Musik hat sie zu der Künstlerin gemacht, die sie heute ist. Sie scheint immun gegen den Hype des Glamours und den Glanz der Berühmtheit. Amy spielt Billard in den Snookerzimmern des Holloway, bewahrt sich ihre Ansichten und hebt selten vom Boden ab. „Ich bin nur ein normaler Mensch, der Fehler macht, aber ich weiß, ich wäre nicht die Hälfte von dem, was ich heute bin, wenn es diese harten Zeiten nicht gegeben hätte.“

Amy blickt der Realität ins Auge und serviert sie uns ungefiltert. Ich sehe eine junge Frau, deren Charakter mehr als einmal vom Leben geprüft wurde und die diese Prüfungen gemeistert hat. Sie ist authentisch und selbstsicher und hat gute Gründe dafür.

Zurück im Jahr 2020 sinniert Harley Cassidy über die subkulturelle Bedeutung von Back to Black und darüber, wie das Album sowohl Musikern als auch Fans den Weg geebnet hat, ihre Inspirationen und Gefühle offener zu zeigen.

Text von Harley Cassidy

Back to Black ist zweifellos ein Geniestreich in der Kunst der Verletzlichkeit, ein Werk, das unmittelbar bei seinem Erscheinen zum integralen Bestandteil der modernen Popkultur wurde und bis heute geblieben ist. Es ist der Beweis für Amys eigene Worte: „Every bad situation is a beautiful blues song waiting to happen“. Das Album erzählt alles, was man über Abhängigkeit, Herzschmerz und echte Emotionen wissen muss. Es trifft mitten ins Schwarze und bleibt doch schmerzhaft ahnungslos, es windet sich in Qualen und wird gleichzeitig mit einem Zwinkern und Schulterzucken präsentiert. Diesem Album gelingt es gleichermaßen, uns schwer schlucken oder gelöst kichern zu lassen, während ein Track den nächsten ablöst. Man kann sich heute schwerlich eine Sängerin/Songwriterin vorstellen, die bei einem großen Label unter Vertrag steht, und so brutal ehrlich mit sich selbst und der Öffentlichkeit umgeht – die einen so vollkommenen Seelenstriptease hinlegt, um sich selbst zu erleichtern.

Zwischen Amys Debütalbum Frank und ihrer zweiten Studioplatte lagen nur drei Jahre, in denen sich viel verändert hat. Während Frank voller Versprechen war und Amys ausdrückliche Gefühle und Retro-Arrangements erahnen ließ, entledigte sich Back to Black komplett der schützenden Hülle und entblößte ihr Herz und auch ihre Verletzungen. Was in dieser Zeit geschah, drückte Amy in einem genialen Soundtrack ihres Lebens aus, in dem Enttäuschungen, Exzesse und Liebe die Hauptrollen in beispiellos ehrlichen Hits spielen. Amy nahm nie ein Blatt vor den Mund und brachte sich oft in Schwierigkeiten. Sie trug ihren Beehive wie ein Pin-up-Girl und ihre vielen Tattoos wie ein Seemann. Sie war aufsässig und schwierig und klammerte sich an einen Whisky, während sie über Weinkrämpfe auf dem Küchenboden sang. Doch nichts von alldem konnte einen Schatten auf ihr strahlendes Talent werfen. Mit dem düsteren Charme der 60er-Jahre-Girlgroup Sonics als Vorbild war sie von der Mitte der 2000er Jahre populären Ära des antiseptischen Jazz à la Katie Melua so weit entfernt wie überhaupt vorstellbar. Amys Stil und Haltung führten dazu, dass sich ein zeitgenössischerer R&B mit Hip-Hop-Anklängen entwickelte. Ihre Stimme war immer das Hauptinstrument, nicht unbedingt aufgrund technischer Finessen, aber dank des Herzbluts und der Courage, die sie hineinlegte. Ihre im Norden Londons eingeschliffene Sprechweise fügte ein spöttisches Charisma hinzu, das Zeilen wie „and if my daddy thinks I’m fine" noch brutaler machte.

Selbst 14 Jahre später offenbart Back to Black immer neue Facetten. Es ist wundervoll, wenn ein Werk von Kritikern und breiter Öffentlichkeit gleichermaßen gewürdigt wird. Diese Anerkennung spricht Bände über die wahre Seele des Albums. Amy Winehouse war lebensecht; keineswegs perfekt und hungrig nach Liebe, aber gleichzeitig auf eine tiefe und befriedigende Weise ehrlich. Sie war eine Frau, die mit sich selbst gekämpft und ihre Probleme direkt in den Songs verarbeitet hat – eine Kunst, zu der sich heute viele Popstars leichter inspirieren lassen. Dieses Werk voller roher, mutiger und tiefgründiger Tracks ist ein leuchtendes Emblem in ihrem Vermächtnis. Es ist völlig egal, ob man es zum ersten oder zum hundertsten Mal hört, man ist nie wirklich vorbereitet auf Back to Black.

Wir arbeiten weiterhin mit der Amy Winehouse Foundation zusammen und unterstützen die Organisation mit jeder Kollektion bei ihrer wichtigen Arbeit.